„Einen ersten Impuls für dieses aufwändige Projekt setzten die raumgreifenden Ansichten der Fotografin Claudia Fährenkemper“, beschreibt John Palantini vom Kunstverein Halle die Geburt der Ausstellungsidee vor zwei Jahren. Die Fotografin widmete dem Braunkohletagebau zu Beginn der 1990er Jahre eine ganze Bild-Serie. Dabei setzte sie die riesenhaften Bagger mit der zerstörten Natur in direkte Beziehung, als Monumente einer untergehenden Technologie. Was aber kommt „Nach den Maschinen“? Eine Frage, mit der sich der Kunstverein Halle intensiver auseinandersetzen will. Gerade die reiche Industriegeschichte Sachsen-Anhalts sorgt für überraschend vielschichtiges Bildmaterial, das man nun erstmals mit dieser Überblicksausstellung würdigt. Zudem wird ein umfangreicher Katalog erarbeitet, der nicht nur die Ausstellung dokumentiert, sondern sich auch mit dem Phänomen Industriefotografie wissenschaftlich und kulturästhetisch auseinandersetzt.
Dem Fotografen Wolfgang G. Schröter verdankt die Ausstellung ihr auffälliges Plakatmotiv mit einer Teilansicht des einstigen VEB Filmfabrik Wolfen. Die ungewöhnliche Farbsolarisation – entstanden in den 1950er Jahren – sollte die technische Leistungsfähigkeit des ORWO-Film-Materials belegen. Damit wurde seinerzeit international z. B. auf Messen geworben.
Als idealer Partner für das Ausstellungsprojekt bot sich das Salinemuseum in Halle an. „Unser Halloren- und Salzmuseum versteht sich als natürliche Heimstätte für Industriekultur“, erklärt dessen Leiter Ingo Beljan. In der großen Siedehalle präsentiert sich auf 800 Quadratmetern die Fotoauswahl, thematisch und zeitlich gegliedert. „Für uns eine willkommene erste Gelegenheit, diesem großen Anspruch auch gerecht zu werden.“ Das Museum wird gerade aufwändig mit Millionenaufwand durch die Stadt Halle aus- und umgestaltet. Allein für die nachhaltige Ausstellungsinfrastruktur investiert die kommunale Kasse 185.000 Euro. Das Projekt wird mit 135.000 Euro durch das Land Sachsen-Anhalt gefördert.
Eine wichtige Quelle für das Vorhaben stellte die umfangreiche Fotosammlung des Landes-Kunstmuseums Moritzburg dar. Von ihr kamen auch die meisten Leihgaben für diese Ausstellung. Zudem verfügten u. a. die Fotothek Dresden, verschiedene Stadtarchive, private Sammlungen und die Archive der Fotografen über reichlich Bildmaterial, das es zu sichten und zu bewerten galt. Bei der Auswahl unterstützten der Landesheimatbund und der Museumsverband Sachsen-Anhalt.
Beginnend mit der fotografischen Überlieferung des Gruson-Werks in Magdeburg, schlägt dann die Ausstellung einen Bogen von den 1920er-Jahren über die Zeit der DDR und die daran anschließende Transformationsphase bis zur unmittelbaren Gegenwart. Die Industriegeschichte Sachsen-Anhalts erstreckt sich über fünf politische Systeme und hat immer wieder Reaktionen in Kunst und Literatur hervorgerufen – besonders stark zum ersten Mal in den 1920er Jahren. Aus dieser Zeit ragt der Fotograf Hans Finsler heraus, der das „Neue Sehen“ an die damalige Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle brachte. Schülerinnen wie Gerda Leo haben dessen künstlerisches Erbe weitergetragen.
In Magdeburg lässt zur gleichen Zeit das städtische Hochbauamt die Großindustrie und den Hafen an der Elbe aufwendig und mit einer ähnlich modernen Bildsprache dokumentieren, eine Kontinuität, die bis in die NS-Zeit reicht.
Nach dem Krieg steht die Industriefotografie im Osten Deutschlands zunächst ganz im Zeichen der Aufbaurhetorik der DDR. Gezeigt werden erfolgreiche Betriebe der Schwerindustrie und der Landwirtschaft. Die Arbeiter fungieren oft als Teil ihrer Brigaden, die im Akkord arbeiten, um das Planziel zu erreichen. Auf der anderen Seite zeigen Serien wie Günter Ackermanns „Tag unter schwarzem Himmel“ zerfurchte Industrie-Landschaften mit rauchenden Schloten und Strommasten.
Zum Ende der DDR richten Fotografen wie Jochen Ehmke ihre Objektive auf den Menschen in Zeiten maroder Wirtschaft und Umweltzerstörung.
Nach der politischen Wende thematisieren Fotografinnen und Fotografen aus Ost und West die Transformation aus ganz verschiedenen Sichten. Hier sind zum Beispiel Reinhard Hentze, Wieland Krause, Inge Rambow oder Gert Kiermeyer zu nennen, die mit ihren freien Arbeiten Ruinen und Hinterlassenschaften einer stillgelegten Industrie aufzeigen. Mit zunehmender Distanz zu den schmerzhaften Veränderungen der Wendejahre wandeln sich auch Bildsprache und Sujets. Ablesbar u.a. bei HansChristian Schink, der die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit imposant ins Bild setzt.
Nach wie vor kritisch werden die Spuren der Industrie in der Landschaft registriert, aber auch renaturierte Gebiete und andere positive Effekte aufgezeigt. Hinzu kommen konzeptionelle Fotoarbeiten, wie sie unter anderem von Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Halle in die Ausstellung eingebracht werden. In ihren Werken verbinden sich Strömungen der Gegenwartskunst und die Auseinandersetzung mit dem industriekulturellen Erbe auf eine oft ironisch-lakonische, distanzierte Weise.
Die Ausstellung versteht sich auch als Anregung für Künstler, Fotografen, Denkmalpfleger, Historiker, Kultur- und Sozialwissenschaftler dieses industriekulturelle Bildgedächtnis für Sachsen-Anhalt zu erschließen und für spätere Generationen auszubauen.